WilderHerzen

Die Rückkehr der Menschlichkeit


Ein Rehbock versteckt sich im hohen Gras

Tierleid III – Die verdrängte Wildnis

Straßen, Häuser, Industriegebiete, Innenstädte – wir pflastern alles zu. Man sollte meinen, es reiche irgendwann. Doch stattdessen wird weiter gebaut: neue Wohnsiedlungen, neue Logistikzentren, 4 spurige Autobahnen. Die letzten Wälder sind längst keine Wildnis mehr, sondern Plantagen. Und was früher Natur war, heißt heute: „Kulturlandschaft“.

Wildnis in Deutschland? Ein PR-Begriff.

In dieser funktionalisierten Umwelt sollen Wildtiere leben, ABER, auf den Feldern bitte die Saat in Ruhe lassen, in den Wäldern bitte keine Schäden verursachen – als ob diese Tiere das Memo bekommen hätten. Die Bäume: bitte kerzengerade. Der Wald: wirtschaftlich. Aber wo bitte sollen sie dann leben?

Wildfreie Zonen?
Wildtiere nur noch in Schutzgebieten, die oft nicht einmal Rückzugsraum bieten? Und den Namen Schutzgebiet noch nichtmal verdienen?

Der Begriff „Wildtier“ wirkt zunehmend wie aus einer anderen Zeit – denn Wildnis, so wie sie einst existierte, hat kaum noch Raum. Der genetische Austausch zwischen Populationen ist oft faktisch unmöglich. Lebensräume gibt es nur noch dort, wo wir sie gestatten – und selbst das meist nur theoretisch.

Natur auf dem Rückzug – weltweit

Auch global gesehen zeigt sich das gleiche Muster:
Eine viel zitierte Studie des Weizmann Institute (2018) hat die Biomasse-Verteilung von Landsäugetieren weltweit analysiert:

  • 60 % entfallen heute auf Nutztiere (vor allem Rinder und Schweine),
  • 36 % auf Menschen,
  • nur 4 % auf alle wildlebenden Säugetiere zusammen.

Die Größenverhältnisse sprechen für sich:
Was in Naturdokus wie eine intakte Wildnis aussieht, ist in Wahrheit eine Welt, in der fast nichts Wildes mehr übrig ist.
Noch schlimmer: Seit Beginn der menschlichen Zivilisation wurden etwa 83 % der wildlebenden Säugetiere ausgelöscht.
Eine weitere Studie aus 2023 bestätigt diese Zahlen.

Wir haben uns nicht nur über die Natur gestellt – wir haben sie verdrängt.
Und das unter dem Vorwand, Ordnung zu schaffen.

Wildtieren wird die unkontrollierte Verbreitung unterstellt

Blasphemie!!
Die Natur regelt sich selbst, es ist ein Ökosystem das keinen Eingriff braucht. Doch dadurch das der Mensch die großen Prädatoren, verdrängt und ausgerottet hat, muss der Mensch eingreifen und das tut er mit Herzblut, regulieren, managen ob es der Grashalm auf der Wiese ist, oder der Wolf der angeblich den Wald leer frist.

Vielleicht ist es an der Zeit, unsere Rolle neu zu denken.
Nicht als Herrscher über die Natur, sondern als Teil eines Netzwerks, das wir längst aus dem Gleichgewicht gebracht haben.
Denn was wir als „Plage“ bezeichnen, ist oft nur eine Reaktion auf ein System, das wir selbst ins Wanken gebracht haben.

Unsere Art zu Leben, passt das noch?

Wenn 60 % der gesamten Biomasse der Landsäugetiere auf Nutztiere entfällt, dann stellt sich zwangsläufig die Frage:
Wofür?

Die Antwort liegt nicht in natürlicher Vielfalt, nicht in ökologischer Notwendigkeit, sondern in unserem Lebensstil – in unseren Supermärkten, auf unseren Tellern, in industriellen Anlagen, die Lebewesen zu Produktlinien machen.
Und damit sind wir wieder bei einem Punkt, den ich im ersten Teil (Tierleid I – Tiere, fühlende Lebewesen) angerissen habe:
Dem systematischen Wegsehen, der Normalisierung von Leid, der gewaltigen Maschinerie der Massentierhaltung.
Die 60 % „Nutz“tier-Biomasse sind kein Reichtum, den wir geschaffen haben. Sie sind ein Spiegel unserer Entfremdung.

Und selbst diese Zahlen – diese 83 % Verlust an wildlebender Säugetier-Biomasse – erzählen nur einen Teil der Geschichte.
Sie erfassen nur das, was wir messen konnten. Nicht die Arten, die wir nie benannt, nie entdeckt, nie begriffen haben – und die trotzdem verschwunden sind.

Wenn wir heute vom Erdüberlastungstag sprechen oder vom ersten planetaren Gesundheitscheck (“Planetary Health Check” -PHC), der 2024 veröffentlicht wurde, dann klingt das fast nüchtern. Wie ein Report. Ein Datenblatt.
Aber dahinter steht etwas anderes:
Ein Planet, der ächzt.
Ein Netz des Lebens, das ausfranst.
Und wir – mittendrin. Nicht als Zuschauer, sondern als Ursache.

Wir sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen!

Vielleicht ist es Zeit, wieder Teil dieses Netzes zu werden. Nicht als Herrscher, sondern als Mitbewohner.

Mit dem Wissen, das wir heute haben, sollten wir die Hüter dieses Paradieses sein – nicht seine Zerstörer.



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